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"Den kenn' ich persönlich!"
Gedanken zum Lebensmotto "Gott kennen und ihn bekannt machen"
Gitta Leuschner
Zu Beginn eines Seminars, an dem ich teilnahm, stellten sich die Teilnehmer vor. Als meine Nachbarin meinen Namen hörte, sagte sie: "Ach, wie schön, dass ich dich endlich persönlich kennenlerne: Du bist mir schon lange bekannt durch die Lieder, die du übersetzt hast." Und als wir uns einige Wochen später wiedersahen, erzählte sie mir von einer Begebenheit aus ihrem Hauskreis: Als sie dort ein bestimmtes Lied sangen, zeigte sie auf meinen Namen und sagte zu den andern: "Die kenn' ich!" Ich musste lachen und freute mich.
Dabei fiel mir ein, wie es war, als ich Gott persönlich kennengelernt habe, nachdem er zuvor nur ein Wort für mich gewesen war.
Vom Glauben an einen "lieben Gott" zum Atheismus
Nachdem ich meinen Kinderglauben an einen "lieben Gott" an den Nagel gehängt hatte, genoss ich als Atheistin mein Leben in vollen Zügen: Für mich gab es keine Gebote mehr und keine Sünden. Mit einem strafenden Gott, der immer nur aufpasste, ob man etwas falsch machte, mit so einem Gott wollte ich nichts mehr zu tun haben. Aber meine selbsterwählte Freiheit, alles tun zu können, was Spaß macht, führte mich in eine innere Leere, und ich fühlte mich unglücklich. Das Zerbrechen meiner Ehe stürzte mich in eine große Lebenskrise; wie kaputt ich war, wurde auch nach außen sichtbar.
Ich brauchte dringend Hilfe, Trost und versuchte alles Mögliche, um aus diesem Elend herauszukommen, aber nichts half. Dann traf ich an der Uni, an der ich damals studierte, einen Studenten, der gläubiger Christ war. Er erzählte mir nicht nur, was die Bibel über Gott sagt, auch sein Leben beeindruckte mich, weil es mir zeigte, dass Gott darin eine wichtige, entscheidende Rolle spielte. So machte er mich mit seinem Gott bekannt.
Auf der Suche nach Gott
Ich fing selber an, die Bibel zu lesen und war total erstaunt, was da alles drin stand. Wenn das stimmte, war mein Leben falsch gelebt. In der Bibel offenbarte sich mir ein großartiger, mächtiger, souveräner Gott, voller Liebe, Güte und Weisheit, aber auch ein heiliger Gott, voller Zorn über das böse Verhalten der Menschen.
Ich dachte darüber nach, wie viele falsche Gottesbilder doch existierten - auch in mir -, weil man sich nicht auf den Gott der Bibel einlassen wollte: Gott als harter Mann, der nur strafte, der Nikolaus, der Geschenke zu bringen hatte, der alte Tattergreis, der den Überblick verloren hatte, oder der Softy-Typ, der alles durchgehen ließ. Welch ein Unterschied zu dem Gott der Bibel! In mir entstand ein großes Verlangen, Gott wirklich kennenzulernen.
Durch Gespräche, Lesen der Bibel, Beobachten von Menschen, die gläubig waren, entfaltete sich ein Bild von Gott; aber ich kannte ihn noch nicht persönlich.
Hiob sagte einmal über Gott, als er durch große Leiden ans Ende seiner selbst gekommen war: "Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen; aber nun hat mein Auge dich gesehen" (Hiob 42,5). Und das erlebte ich dann eines Tages auch. Ich hatte angefangen zu beten. Aus den anfänglichen Flehgebeten "o Gott, bitte hilf mir!" wurden Gebete, die meine Sehnsucht ausdrückten: "Gott, Herr, offenbare dich mir, ich will, ich muss dich kennenlernen." Und Gott brach in mein Leben ein wie eine Flut, ich versank in einem Meer von Liebe. Meine Augen wurden geöffnet für eine neue Di-mension. Ich stand im Licht, das meine ganze Person, mein ganzes Leben durchleuchtete, in der Gegenwart Gottes.
Das Leben noch einmal anfangen
Ich erkannte mit schmerzhafter Klarheit, wer ich war: eine Sünderin, eine Verirrte, eine, die das Ziel verfehlt hatte. Ich begriff mit einem Mal, was Sünde war: Trennung von Gott, Rebellion gegen ihn und Ungehorsam gegen seine guten Lebensanweisungen. Ich war zutiefst betroffen und überführt. Mein kaputtes Leben vor Augen und die Tatsache, Gott nicht gekannt und nicht geliebt zu haben, darüber musste ich sehr viel weinen. Ich wusste, ich hatte Strafe verdient. Und dann die Erkenntnis: Jesus ist da, wartet darauf, dass ich für mich persönlich das annehme, was er vor ca. 2000 Jahren durch seinen qualvollen Tod am Kreuz für alle Menschen aller Zeiten erwirkt hatte: die Versöhnung mit dem Vater, mit Gott.
Es war ungeheuerlich: Meine ganzen Sünden, mein ganzes verpfuschtes Leben als Austausch gegen Jesu Erlösung, Befreiung, Vergebung, Reinheit. Es war das tiefste und erschütterndste Erlebnis, das ich je gehabt hatte - die Begegnung mit Gott in der Person Jesus. Seine Liebe veränderte mich total und entzündete eine tiefe Gegenlie-be, die sich nicht nur auf Gott richtete, sondern auch auf die Menschen.
Viele Verse der Bibel wurden plötzlich Realität in meinem Leben: "... ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu ge-worden!" (2 Kor 5,17). "Du sollst Gott, deinen Herrn, anbeten und ihm allein dienen." (Lk 4,8) Jetzt, wo ich Gott kannte, stieg ein tiefes Verlangen nach Veränderung in mir hoch: Ich wollte ihm gefallen, ihm Freude machen, ihm dienen. Viele neue Dinge gehörten jetzt zu meinem Leben: die Bibel studieren, mit Gott reden im Gebet, Lobpreis und Anbetung, Gespräche mit Christen, eine gute Gemeinde, Seminare und Konfe-renzen, eine Jüngerschaftsschule.
Gott kennenlernen wurde zum Abenteuer
Von Anfang an war der starke Wunsch da, anderen von Gott zu erzählen, damit sie ihn auch kennenlernen konnten. Ich hatte die aufregendste, interessanteste, großartigste Person des Universums gefunden - und das kann man doch nicht für sich behalten! Die Veränderung durch meine Bekehrung war so offensichtlich, dass ich oft gefragt wurde, was mit mir passiert sei, ob ich mich verliebt hätte. Ja, das hatte ich, ich war "verliebt in Jesus". Ganz schön verrückt, dachte wohl so mancher.
Meine Suche nach Glück, nach Sinn, nach Wahrheit, nach Liebe, nach Erfüllung hatte in Jesus ihr Ziel gefunden. Mein Leben hatte dadurch eine total andere Richtung bekommen, es war radikal geworden: nicht extrem, aber wesentlich. Jesus war mein Mittelpunkt geworden, und ihn wollte ich mit meinem Leben verherrlichen. Welch ein wunderbares neues Lebensziel! Ich gab mein Studium auf und wurde Mitarbeiterin bei dem Missionswerk
Jugend mit einer Mission. Staunend erlebte ich, dass alles, was ich mal gelernt hatte, alle Fähigkeiten und Begabungen, nun in meinem Dienst zur Verwendung kamen.
"Gott kennen und ihn bekannt machen" - nicht nur ein Slogan, sondern ein Lebensziel
"Ich will nicht rumgehen und versuchen, die ganze Welt zu bekehren. Du musst mir die Menschen zeigen, die der Heilige Geist vorbereitet hat", sagte ich irgendwann zu Gott. Da ich oft unterwegs bin, erlebe ich die unterschiedlichsten Situationen, in denen sich Gespräche über Gott ergeben: im Zug, im Flugzeug, auf der Straße, in Geschäften, beim Zahnarzt, beim Friseur. Ich bin dann wie ein kleines Puzzleteilchen in dem Bild, das Gott im Leben dieses Menschen malt.
Es macht mir viel Freude, mit anderen Menschen über Jesus zu reden. Auf der Fahrt zu einem Vortrag kam ich mit einer Frau ins Gespräch. Das Abteil war vorher ziemlich voll gewesen, hatte sich aber an dem Bahnhof geleert, an dem sie eingestiegen war. Als sie sich nun in mein Abteil setzte, kamen wir schnell ins Gespräch und sie erzählte mir, dass sie durch die Scheidung von ihrem Mann erlebte sie viele Verletzungen, die sie bitter machten. Ich erzählte ihr aus meiner eigenen Erfahrung, wie man durch Vergebung davon geheilt werden kann. Als sie zwei Stationen später ausstieg, bedankte sie sich sehr und sagte, jetzt wisse sie, warum sie am Abend vorher den Zug verpasst hatte. Das Abteil füllte sich auch wieder, und ich begriff, dass Gott uns eine geschützte Zeit für dieses Gespräch gegeben hatte.
"Und ich will dich segnen, ... und du sollst ein Segen sein" (1 Mose 12,2), sagte Gott einmal zu Abraham, und das gilt auch für uns. Gott will sein Reich durch uns, seine Kinder, bauen. Aber dazu müssen wir ihn kennen, müssen wissen, wer er ist und wie er handelt. Sein Wirken müssen wir in unserem Leben erfahren, damit wir glaubwür-dig sind.
Manche Menschen finden es anmaßend, wenn man sagt, dass man Gott kennt, dass er sich um ganz persönliche kleine und große Alltagsdinge kümmert. Doch genau das erlebe ich seit vielen Jahren, seit meiner Lebensübergabe an Jesus: Er führt mein Leben. Ich nehme Gott beim Wort und kann mit meinem Leben beweisen, dass es wahr ist.
Beim Anblick einer zauberhaften Landschaft, eines einzigartigen Sonnenuntergangs im Meer, herrlichster Blumen in einem Park, eines wunderschönen Menschen kann ich begeistert sagen: "Den kenn` ich, der das gemacht hat".
Gitta Leuschner, seit 1975 Mitarbeiterin bei JMEM in Hurlach (Oberbayern), Referentin bei Seminaren und Freizeiten (thematische Schwerpunkte: Leben als Single, Seelsorge und praktisches Christsein). - Die Bibelzitate sind der Lutherbibel entnommen.